Bis zum Jahr 2045 muss Deutschland und damit auch die Wohnungswirtschaft klimaneutral sein. Der Gebäudesektor ist bei uns mit rund 40 Prozent der größte CO2-Emittent. Mit immer höheren energetischen Standards im Gebäudebereich versucht die Bundesregierung, die Klimaziele zu erreichen. Ein teures Unterfangen für Wohnungsunternehmen. Eine schnell umsetzbare und kostengünstige Lösung: Smarte Thermostate.
Smarte Thermostate sind aus dem privaten Umfeld bereits länger bekannt. Deren intelligente Funktionen, basierend auf Regeltechnik und Sensorik, ermöglichen es, den Energieverbrauch im eigenen Haushalt zu reduzieren und den Wohnkomfort zu steigern. So können Nutzer die gewünschte Zimmertemperatur auf das Grad genau einstellen, statt sich über die wenig aussagekräftigen Stufen eins bis fünf herkömmlicher Thermostate an die richtige Temperatur heranzutasten. Durch den Einsatz einer PID Regeltechnik (siehe Abb. 1) werden Zieltemperaturen direkt und ohne übliche Schwankungen angesteuert. Dies führt zu einer signifikanten Einsparung an Primärenergie. Eine begleitende App bietet dem Bewohner zudem die Möglichkeit, raumspezifische Heizpläne zu erstellen, sodass beispielsweise bei Abwesenheit nicht auf gleichem Niveau weitergeheizt wird. Ferner erkennt das smarte Thermostat, sobald ein Fenster oder eine Balkontür geöffnet ist und fährt die Temperaturleistung automatisiert herunter. Das erschließt ein zusätzliches Einsparungspotenzial für den Bewohner und führt dazu, dass Energie additiv eingespart wird.
Aktuell weisen Anbieter von Lösungen für den Privathaushalt eine Energieeinsparung von mehr als 30 Prozent aus. Der Einsatz smarter Thermostate in einer einzelnen Wohnung eines Mehrparteienhauses führt allerdings zur Entstehung einer Wärmesenke, sodass Energie von den benachbarten Wohnungen eingezogen wird (siehe Abb. 2). Mit Blick auf die Klimaziele ist das Gesamteinsparergebnis eines Mehrparteienhauses, das nur eine einzelne Wohnung mit (privat installierten) smarten Thermostaten aufweist, nicht hilfreich.
Vollausstattung von Mehrparteienhäusern mit smarten Thermostaten sinnvoll
Die noventic Group hat daher das Thermostat-Know-how von tado° sowie die wohnungswirtschaftlichen Montage- und Serviceleistungen der KALORIMETA GmbH (KALO) verknüpft, um eine Smart-Heating-Lösung für die Wohnungswirtschaft zu entwickeln, die auf eine Vollausstattung von Mehrparteienhäusern mit smarten Thermostaten setzt. So wird eine deutlich höhere Energieeinsparung auf Gebäudeebene erzielt und die CO2-Bilanz der Liegenschaft optimiert. Die Batterielaufzeit der wohnungswirtschaftlichen Weiterentwicklung wurde deutlich erhöht und den Anforderungen im professionellen Einsatz angepasst. Zudem werden die Thermostate hier nicht – wie in der Privatkundenvariante – über das private WLAN der Bewohner angebunden, sondern über eine zentrale Long-Range-Funkinfrastruktur.
Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hat diese Lösung in einem wissenschaftlich begleiteten Praxistest geprüft und eine durchschnittliche Energieeinsparung von rund 15,5 Prozent beim Einsatz der smarten Thermostate im Mehrparteienhaus bestätigt (siehe Abb. 3).
Auf den Erkenntnissen der KIT-Studie aufbauend, hat KALO mittels eines komplexen Analysetools rund 17.400 Wohnungen, auch „Nutzeinheiten (NE)“ genannt, in insgesamt 605 Liegenschaften analysiert. Im Ergebnis erzielt der flächendeckende Einsatz smarter Thermostate eine Reihe von Vorteilen für die Wohnungswirtschaft:
- Einsparung von CO2-Kosten
- Verbesserung der Energieeffizienzklasse im Portfolio
- Optimierung der zukünftigen Investitionsplanung in Wärmeerzeugungsanlagen
- Signifikante Aufwands- und Kosteneinsparung beim hydraulischen Abgleich
- Bilanzierung und staatliche Förderung
1. Verringerung der CO2-Kostenlast für die Wohnungswirtschaft
Beim analysierten Bestand hat der Einsatz professioneller smarter Thermostate mehr als 5.471 Tonnen CO2 pro Jahr eingespart (siehe Abb. 4). Zwei Einspareffekte wurden dabei festgestellt. Zum einen verringert die erzielte Einsparung von 15,5 Prozent Primärenergie auch die gesamte CO2-Abgabe für das jeweilige Gebäude. Zum anderen wird der Verteilschlüssel zwischen Mieter und Vermieter für letzteren positiv beeinflusst (siehe Abb. 5), sodass sich die Gesamtkostenlast bei den analysierten Portfolien über die Laufzeit der smarten Thermostate von sechs Jahren um fast 1,5 Millionen Euro senken lässt.
2. Verbesserung der Energieeffizienzklassen im Portfolio
Durch die Absenkung des Primärenergieverbrauches im Portfolio wird die Energieeffizienzklasse des jeweiligen Gebäudes optimiert. Dies ist insbesondere wichtig für Liegenschaften, die aktuell in den Effizienzklassen F, G und H sind. Bei den analysierten Portfolien ließ sich eine Verschiebung von mehr als 50 Prozent der Nutzeinheiten der Gruppe F, G und H auf die bessere Energieeffizienzklasse E feststellen (siehe Abb. 6). Dies hat perspektivisch sowohl einen positiven Effekt auf die weitere Vermietbarkeit der Wohnungen als auch einen möglicherweise signifikanten Einfluss auf die bevorstehenden Sanierungen.
Abb 6) Verbesserung der Energieeffizienzklasse im Bestand / Analyse von 17.400 NE in 605 Liegenschaften
3. Optimierung der zukünftigen Investitionen
Im Hinblick auf die angestrebte CO2-Neutralität von Wohngebäuden bis 2045 sieht das novellierte Gebäudeenergiegesetz (GEG) vor, dass neu installierte Heizungen zu mindestens 65 Prozent auf Basis erneuerbarer Energien betrieben werden müssen. In diesem Zusammenhang beeinflusst die Einsparung der Primärenergiemenge durch Einsatz smarter Thermostate die Planung und Umsetzung der zukünftigen Wärmeerzeugungsanlagen positiv. Grund dafür ist, dass die Absenkung der Primärenergie zu einem verminderten Leistungsbedarf der zukünftigen Heizanlage und somit zu einer geringeren Investition führt.
Bei angenommenen 15,5 Prozent Einsparung des Primärenergieverbrauches und durchschnittlichen 1.800 Benutzungsstunden im Jahr, ergibt sich bei dem analysierten Bestand eine Einsparung von mehr als neun Prozent der zukünftig benötigten Leistung.
Bei angenommenen Kosten von 1.000 Euro je Kilowatt installierter Leistung liegt das Einsparungspotenzial für den analysierten Bestand bei ca. 7,8 Millionen Euro (siehe Abb. 7).
4. Kosteneinsparung beim gesetzlich vorgeschriebenen hydraulischen Abgleich
Neben der bereits beschriebenen CO2-Einsparwirkung ermöglichen die angebotenen smarten Thermostate zugleich die Durchführung des gesetzlich geforderten hydraulischen Abgleichs. Das Verfahren hat der TÜV Rheinland kürzlich zertifiziert. Es ist mindestens gleichwertig mit dem herkömmlichen hydraulischen Abgleich (Verfahren B).
Im Vergleich zum Verfahren B ist das zertifizierte Verfahren mit den smarten Thermostaten allerdings wesentlich einfacher in der Handhabung und sorgt überdies für einen adaptiven, also permanenten, hydraulischen Abgleich. Die durchschnittlichen Kosten im herkömmlichen Verfahren B belaufen sich laut Kundenbefragung der KALO auf die in Abbildung 8 dargestellten Beträge.
Bezogen auf den analysierten Bestand ergeben sich für den herkömmlichen hydraulischen Abgleich nach Verfahren B Kosten in Höhe von 11,5 Millionen Euro. Verglichen mit Verfahren B wäre im analysierten Portfolio durch den hydraulischen Abgleich mittels smarter Thermostate eine Einsparung in Höhe von 3,8 Millionen Euro möglich (siehe Abb. 9).
5. Bilanzierung und staatliche Förderung
Der Einsatz smarter Thermostate gilt als Modernisierungsmaßnahme und lässt sich daher bilanziell aktivieren und über die Laufzeit von sechs Jahren abschreiben. Er wird zudem staatlich mit 15 Prozent gefördert. Hierzu hat das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) das „Infoblatt zu den förderfähigen Maßnahmen und Leistungen“ herausgegeben.
Fazit
Zusammenfassend zahlt sich der flächendeckende Einsatz professioneller smarter Thermostate für die Wohnungswirtschaft in mehrfacher Hinsicht aus. In der täglichen Nutzung durch die Bewohner lässt sich der Heizenergieverbrauch und damit die CO2-Bilanz des Gebäudes nachhaltig optimieren. Das führt zur Senkung der CO2-Kosten und häufig auch zu einer besseren Einstufung der Energieeffizienzklasse des Gebäudes. Die dauerhafte Reduktion des Heizenergiebedarfs senkt zudem die Investitionskosten für eine künftige Heizanlage.
Zugleich ermöglichen die smarten Thermostate den gesetzlich geforderten hydraulischen Abgleich und das bei erheblich weniger Aufwand und geringeren Kosten. Nicht zuletzt ist die geringinvestive Smart-Heating-Lösung als Modernisierungsmaßnahme abschreibbar und förderfähig. Die smarte Technik kann so zu einem wichtigen Puzzleteil in der Dekarbonisierung des Gebäudebestandes werden.
Dieser Artikel ist in dem Fachmagazin e|m|w 6/23 erschienen.